Der Staatsvertrag über den Südwestrundfunk (SWR)
 
 
Eine kritische Bestandsaufnahme
 
Mit dem Staatsvertrag über den Südwestrundfunk vom 31.Mai 1997 zwischen den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, haben beide Bundesländer nicht nur medienpolitisch einen ersten Schritt zur Neustrukturierung der ARD unternommen, sie beendeten damit eine seit Ende der sechziger Jahre immer wieder in Angriff genommene Neuordnung des Rundfunks im Südwesten der Republik, sie beschlossen damit auch die Abschaffung der bisherigen Anstalten SWF (Baden-Baden) und SDR (Stuttgart).
Aber auch im Staatsvertrag sind juristisch und medienpolitisch einige interessante Neuerungen die aufhorchen lassen, jedoch auch Bedenken hervorrufen: Die Regelung von Fragen der Rechtsaufsicht und der Finanzkontrolle oder auch die Stellung des Verwaltungsrats (insbesondere deren staatliche Mitglieder) wären hier zu nennen. Dann das geplante Verbot der regionalen Fenster (inzwischen herausgenommen) und die strikte Programmreglementierung: gerade im letzten Punkt ist die verfassungsrechtliche Prüfung fast unausweichlich. Nach einer Meldung in „Markt und Medien” im DLF soll es in den neu zu schaffenden Programmen des SWR z.B. auch keine festen Sendeplätze mehr geben. Insgesamt verfolgt n.m.E. diese Neuordnung des Rundfunks im Südwesten der Bundesrepublik interessante und z.T. richtige Ansätze - jedoch erstickt die staatliche Reglementierung vieles davon im Keim.
 
 Programme
 
Vorgesehen sind sechs Programme: für den SWR 2 landesweite Hörfunkprogramme pro Bundesland und zwei länderübergreifenden Programmen. Dies ist ein Programm weniger als heute. Im Fernsehen sind pro Bundesland ein Programm vorgesehen (plus ARD Programm), mit einem Mantelprogrammanteil von 70% ( und damit dem Ende von Südwest 3, dem gemeinsamen Fernsehprogramm mit dem SR). § 3 SWRStV macht weitere Programme von einer staatsvertraglichen Neuordnung abhängig. Dies mag zunächst nicht verfassungsmäßig bedenklich sein, kann es aber, worauf Hesse hinweist, sehr schnell werden (Landtagswahlen, Machtwechsel usf.) und ist vor allem reichlich ungeschickt, weil es den Handlungsspielraum des Senders und seine Reaktionsmöglichkeiten in Marktbelangen sehr einschränkt. Nach den Vorgaben des Dritten ´Rundfunkänderungsstaatsvertrags aus 1997, der ja eine „Bestands- und Entwicklungsgarantie” für den ÖRR vorsieht, wäre einer weitergehende Reglementierung des Senders auch kaum mehr zu rechtfertigen gewesen. In diesem Zusammenhang sind auch die unter § 3 Abs. 1+2 dargelegten - sehr detailliert ausgefallenen - Programmfarben für die Programme. Unter Berücksichtigung der Ausführungen von Peter Voß ( siehe Interview) fällt es schwer die Ansicht von Fechner zu teilen, der von Umrissen der zukünftigen Programme spricht. Vielmehr sollen die Wort- und Informationsanteile der neuen Programme wesentlich erhöht werden, die Flexibilität und Reaktionsfähigkeit der Redaktionen auf aktuelle Entwicklungen ebenso (kein Dudelfunk). Auch sollen verstärkt „Landsmannschaftliche” Aspekte berücksichtigt werden, die Position der Regionen im „Europa der Regionen” soll gestärkt werden. Dies entspricht - wie so vieles in diesem StV- den Vorstellungen, die Peter Voß in seinem Skript „SWF 2000” dargelegt hat, er weist auch daraufhin, daß die Regionen eben vor deutschen Bundesländergrenzen nicht haltmachen (Mannheim/Ludwigshafen/Heidelberg).
Ein ursprünglich geplantes Verbot von regionalen Fenstern in den beiden Gemeinschaftshörfunkprogrammen, wurde aus dem ersten Entwurf aus dem April 97 wegen verfassungsrechtlicher Bedenken, ersatzlos gestrichen.
 
 Verwaltungsrat
 
Die Pläne für den neu zu schaffenden Verwaltungsrat sind ebenfalls recht bedenklich ( § 20): so sollen von 15 Mitgliedern im VwR sieben Personen von den Staatsorganen gestellt werden ( Landtage 4 (je 2) und drei von den Regierungen ( 2 aus BW, 1 aus RLP). Damit ist die gesetzlich unzulässige „Schallgrenze” von 50% zwar noch nicht erreicht: aber, beschlußfähig ist der VwR ab acht Stimmen ( § 23), im Prinzip könnten die Staatsvertreter quasi im Alleingang Beschlüsse fassen. Dies ist nicht zuletzt daher vorstellbar, weil die Erfahrungen mit der Belegung anderer VwR gezeigt hat, daß oftmals dem Parteienproporzgerangel kaum aus dem Weg zu gehen ist. Die Wahl des Intendanten erfolgt in gemeinsamer Sitzung mit dem RfR, dabei ist die Mehrzahl der Stimmen der gesetzlichen Vertreter nötig (aus beiden Ländern). Hesse schlägt zur Regelung des o.g. Problems vor, daß die Satzung vorschreiben sollte, daß bei Sitzungen und zu treffenden Entscheidungen des VwRs, die Mehrzahl der anwesenden Mitglieder vom RfR gewählt sein müssen.
 
 Finanzkontrolle und Rechtsaufsicht
 
Beim SWR erstreckt sich nach § 35 StV die Finanzkontrolle auch auf Tochtergesellschaften des SWR. Diese Regelung ist neu. Auch bei der Rechtsaufsicht gibt es Neuerungen: so hatte der SDR bis dato gar keine Rechtsaufsicht.
 
 Fazit
 
Der Staatsvertrag über den neuen Südwestrundfunk SWR ist in vielerlei Hinsicht bedenklich: Vielleicht ist Einfluß seitens des Staats per se nicht unbedingt problematisch: jedoch ist hier - n.m. E. - etwas zuviel des Guten ins Feld geführt worden:

Am Schlimmsten erscheint mir die Programmbeschränkung und die enge Vorgabe der Programmfarben für den Sender. in keinem anderen StV finden sich ähnlich stark ausgeprägte Vorgaben für den Sender.

Dabei ist die Rechtssprechung des BverfG in diesem Punkt eindeutig: dies ist nicht zulässig. Mag die zahlenmäßige Beschränkung noch - unter verschiedenen „Einbauten” und „Satzungshaken” - entschärft werden.
Die Art aber, mit welcher über die Ausprägung zukünftiger Programme in Stuttgart und Mainz mitbestimmt werden soll, ist n.m. E. nicht rechtmäßig. Das Gutachten von Thomas Oppermann, welches den Vertragsverhandlungen zwischengeschaltet war, rechtfertigt die Programmbeschränkung mit dem Schutz des PVR - Hesse aber weist darauf hin, daß der StV nicht allgemeinen Charakter hat, sondern eben nur für den SWR gilt.
Und ob der Schutz der privaten Anbieter ein Grund sein kann, um die Rundfunkfreiheit einzuschränken, ist recht fraglich. Und falls sich aus Fragen der Grundversorgung die Errichtung eines neuen Senders als nötig erweisen sollte, die notwendigen Frequenzen aber schon von der zust. LMA vergeben worden sind, ist dies verfassungsrechtlich kritisch.
 
Vieles von dem, was zur Zeit zu hören ist, wird von anderen beteiligten Stellen wieder dementiert. Angst des kleinen SDR „vor dem badischen Kraken”, wie das Hamburger Abendblatt kürzlich schrieb, individuelle persönliche Ängste vor Arbeitslosigkeit uvam. spielen da eine Rolle.

Der SWR wird mit 4200 Angest. und einem Etat von 1,7 Mrd. DM die zweitgrößte Anstalt der ARD nach dem WDR. Der Intendant wird seinen Sitz in Stuttgart haben, der Standort Mainz wird ausgebaut, in Baden-Baden bleibt die technische Produktion (ARD).

Alternativen gab es zu diesem Modell nur in Form des „weiter wie bisher”. Der SWF-StV sah vor, daß BW das Bundesland RhP bei Gründung eines Landessenders BW hätte entschädigen müssen.
Dies wäre ev. eine Milliardensumme gewesen. Der Südwesten wird künftig in der ARD eine gewichtige Stimme haben, nicht zuletzt dann, wenn die Neuregelung des ARD-Finanzausgleichs ansteht. Schwer vorstellbar, wie der SR dann die Produktion und Ausstrahlung von vier Hörfunkprogrammen f. d. Saarland angesichts der Situation in den Nachbarländern, rechtfertigen will.

Es ist zwar fraglich, ob der SWR tatsächlich Geld einsparen werden wird. Der Ausbau des Standortes Mainz wird teuer werden, ebenso die geplanten Umzüge und Umstrukturierungen von Baden-Baden nach Mainz und von Stuttgart nach Baden-Baden. Aber die Situation ist sicher besser als beim NDR wo jahrelang die Dominanz des Standorts Hamburg die wichtigste Gebührenquelle Niedersachsen geärgert hat.
 
Der SWR-StV ist zum 01.Januar 1998 in Kraft getreten, seither ist die Konzeptionsphase angelaufen, der Vorsitzende des Rundfunkrats wurde vor wenigen Tagen gewählt (der bisherige RfR-Vorsitzende des SWF Hans Lambert), am 01.September 1998 geht der SWR auf Sendung, Oktober 1998 werden SWF und SDR dann aufgelöst. Damit gehen die in der Nachkriegszeit begonnenen Konstruktionen der Allierten SWF, der früheren Länder RhP, Baden und Württemberg-Hohenzollern und SDR des Landes Württemberg-Baden zu Ende.
 
 Literatur
 
„Staatsvertrag über den Südwestrundfunk”,
in: Media Perspektiven, Dokumentation I/97, Nr.14
Berg, Klaus: „Gerät der öffentlich-rechtliche Rundfunk in die Krise”,
in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Heft 2/1997, S. 4 - 9
Heyen, Franz-Josef / Kahlenberg, Friedrich P.(Hrsg.): „Südwestfunk - Vier Jahrzehnte Rundfunk im Südwesten”,
Düsseldorf, 1986
Fechner, Frank: „Der neue SWR-Staatsvertrag auf dem Prüfstand der Rundfunkfreiheit”,
in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Nr. 48/1997, S. 3211 - 3215
Hesse, Albrecht: „ Staatsfreiheit des Rundfunks und SWR-Staatsvertrag”,
in: Juristen-Zeitung, Nr. 22/1997, S. 1083-1086
Voß, Peter: „Wer denkt sich bloß solchen Unsinn aus ?”,
in: Medien Dialog, Nr.11/97, S.17 - 22
Voß, Peter: „Südwest 2000 - Zur Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Südwesten Fakten-Positionen-Argumente”,
Baden-Baden, 1995
 

 


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