Film policier
 
  Obere Reihe: Luc Bessons "Nikita", Jean-Pierre Melvilles "Der zweite Atem" und "Der eiskalte Engel", mittlere Reihe: "Adieu Bulle", Jean Servais in "Rififi" und Verneuils "Angst über der Stadt", untere Reihe: aus Sautets "Der Panther wird gehetzt" und Beckers "Wenn es Nacht wird in Paris" Der französische Kriminalfilm blickt auf eine lange Tradition zurück. Bereits Anfang des letzten Jahrhunderts wurden mit den "Fantomas"-Filmen zeitlose Klassiker gedreht. Später folgte der "Poetische Realismus" von Carne/Prevert und nach 1945 die großen Klassiker von Jacques Becker, Jean-Pierre Melville oder Claude Chabrol.
Diese Auflistung versucht eine subjektive chronologische Auflistung der wichtigsten Filme der letzten knapp 100 Jahre.
 
 1899 - 1945
Nachdem Georges Melies und Ferdinand Zeccas erste Arbeiten noch eher aus der Perspektive des Filmhistorikers interessant sind, ist der Einfluss gerade der Fantomas Filme auf die Surrealisten immer wieder aufgezeigt worden. Bis 1945 war der französische Film vor allem von einem Schauspieler dominiert: Jean Gabin. Seine Rollen in den großen Klassikern von Jean Renoir machten ihn berühmt. Dann folgten die Filme des Poetischen Realismus, Ausdruck der gesellschaftlichen und politischen Strömungen jener Zeit: hatte doch die Volksfrontregierung des Leon Blum Jahr für Jahr große Summen in die Entwicklung des Films investiert. Die Filme von Marcel Carné und Jacques Prevert nehmen dabei wegen ihres filmgeschichtlichen Werts eine Ausnahmestellung ein, aber auch Pepe-le-Moko ist heute ein absoluter Klassiker.
Die Arbeiten von Jacques Becker und Henri Georges Clouzot in der Zeit der deutschen Besatzung spiegeln das Dilemma der Filmkunst in dieser Zeit gut wieder. Entweder sie beschränken sich auf halbklamaukige Provinzpossen oder sie versuchen sich in politischen Stellungnahmen, und führen zu Berufsverbot und politischer Instrumentalisierung.
 
L' affaire Dreyfus
Jahr:  1899   Regie:   Georges Melies  
In elf Bildern die Geschichte der berühmten Affaire erzählend, ist dieser Film, der erste Kriminalfilm in Frankreich.
 
L' histoire d' une crime
Jahr:  1901   Regie:   Ferdinand Zecca  
Die Geschichte eines Verbrechen: Mord, Verhaftung, Inhaftierung und Hinrichtung.
 
Fantomas
Jahr:  1913/14   Regie:   Louis Feuillade  
Von Fantomas wurden in den ersten Jahren fünf Filme gedreht, allesamt ungemein erfolgreich in Frankreich. Darüber hinaus beeindruckte und inspirierte Fantomas auch viele andere Künstler in dieser Zeit.
Feuillade war einer der ersten Mitarbeiter von Louis Gaumont, der in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg im Pariser Nordosten nahe der Buttes Chaumont seine Studios - und damit auch sein späteres internationales Filmimperium aufbaute.
 
Les Vampires
Jahr:  1915/16   Regie:   Louis Feuillade  
Feuillades Nachfolger zu Fantomas: die Geschichte einer Pariser Bande unter Führung der berüchtigten Irma Vep (Anagramm von Vampire).
Zu den Filmen von Feuillade - und das gilt sowohl für Fantomas wie auch für Vampires, muß man wissen, daß sie weniger Filme im eigentlichen Sinne als im heutigen Verständnis eher eine Serie waren - und damit viel Spannung bei den Zuschauern erzeugten.
 
La chienne / Die Hündin
Jahr:  1931   Regie:   Jean Renoir  
Mit "La chienne" von Jean Renoir wird 1931 einer der ersten Tonfilme veröffentlicht. Es beginnt die Zeit der großen Filme von Renoir. "La chienne" hatte großen Einfluß auf die Surrealisten und die Nouvelle Vague.
 
La nuit du carrefour / Die Nacht an der Kreuzung
Jahr:  1932   Regie:   Jean Renoir  
Sehr stimmungsvolle Verfilumg eines Maigret Romans nach Georges Simenon.
 
Pepe-le-Moko / Pepe-le-Moko - Im Dunkel von Algier
Jahr:  1937   Regie:   Julien Duvivier  
Der französische Abenteurer und Gangster Pépé le Moko lebt in Algier als Anführer einer Diebesbande. Die Polizei versucht ihn zwar seit geraumer Zeit zu fassen, aber im labyrinthartigen Gewirr der Kasbah von Algier, gelingt es Pepe immer wieder sich zu verstecken. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf als er sich in eine mondäne junge Französin verliebt und sein Heimweh nach Frankreich ihn wieder einholt. Auch seine Freundin Ines kann ihn nicht davon abhalten, die Sicherheit der Altstadt zu verlassen. Auf dem Schiff schließlich wird er gestellt und verhaftet. Doch Pepe nimmt mit seinem Selbstmord sein Schicksal ein letztes Mal in die Hände.

Der brillante Film war, wie auch Renoirs 'Bestie Mensch' ein Vorbild für den klassischen amerikanischen Film noir der 40er Jahre. Pépé le Moko gehört zu den großen Klassikern des französischen Vorkriegskinos und zählt auch zum engeren Kreis der Filme des Poetischen Realismus. Duvivier gelang durch die beeindruckende Schwarz-Weiß-Fotografie, die gekonnt die eigenwillige Atmosphäre des maurischen Altstadtviertels von Algier einfängt, die hervorragenden Schauspielerinnen und Schauspieler und die stimmige und dicht erzählte Geschichte ein Meisterwerk.
 
La guele d' amour / Eine Fresse zum Verlieben
Jahr:  1937   Regie:   Jean Germillon  
Der Film, welcher Gabin auf Jahre hinaus seinen Beisatz zu seinem Namen gab: eine Fresse zum Verlieben.
 
La bete humaine / Bestie Mensch
Jahr:  1938   Regie:   Jean Renoir  
Jacques Lantier ist mit Leib und Seele Lokomotivführer. Er fährt auf der Strecke Paris-Le Havre, seine Lok nennt er zärtlich "Lison". Der junge Mann ist für sein Alter ein sehr ernster Mensch. Er leidet unter Depressionen und unheimlichen Anfällen und führt das auf seine Herkunft aus einer Familie von Trinkern zurück. Eines Tages wird in einem Zug, mit dem er zur Arbeit fährt, ein reicher Gutsbesitzer ermordet. Der Mörder Roubaud, Bahnhofsvorsteher in Le Havre, handelt aus Eifersucht. Lantier schöpft Verdacht, behält das aber für sich, weil ihn Severine, die schöne junge Frau des Mörders, fasziniert. Severine trifft sich fortan heimlich mit ihm und wird seine Geliebte, vor allem aber will sie ihn überreden, ihren Mann umzubringen, vor dem sie sich fürchtet. Sie ahnt nicht, was sie damit für sich und Lantier heraufbeschwört...
Nach dem Roman "Der Totschläger" von Emile Zola entstand ein beeindruckendes Meisterwerk des poetischen Realismus der 30er. Jean Gabin zeigt sich hier einmal mehr als brillanter Schauspieler. Dies war übrigens die dritte Zusammenarbeit von Renoir und Gabin, vorher entstanden die beiden Filme "Nachtasyl" (1936) und "Die große Illusion" (1937). "Bestie Mensch" war einer der wichtigsten Einflüsse für den amerikanischen Film noir der 1940er Jahre und Regisseure wie John Ford oder William Wyler.
 
Quai des Brumes / Hafen im Nebel
Jahr:  1938   Regie:   Marcel Carne/ Jacques Prevert  
Zusammen mit "Le jour se leve" der wichtigste Filme des Poetischen Realismus in Frankreich und einer der größten und schönsten Filme mit Jean Gabin. Ein Soldat der Indochina Armee desertiert und taucht in Le Havre unter. Als er die schöne Nelly trifft, nimmt das Schicksal seinen Lauf..
 
Le jour se leve / Der Tag bricht an
Jahr:  1939   Regie:   Marcel Carne/ Jacques Prevert  
Nach Sascha Mitry, einem der wichtigsten Filmkritiker in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer der wichtigsten Filme in Europa vor 1945. Der Arbeiter Francois verliebt sich in die Blumenverkäuferin Francoise, doch da gibt es noch den schmierigen Halunken Valentin. Francois erschießt ihn gleich am Anfang des Films, in Rückblenden wird dann die Geschichte ihrer Liebe erzählt, während draußen die Polizei den Sturm auf Francois Wohnung vorbereitet.
 
La regle du jeu / Die Spielregel
Jahr:  1939   Regie:   Jean Renoir  
Zwar nicht in diese Aufzählung passend, aber wohl einer der wichtigsten Filme dieser Jahre und in Punkto Sozialkritik einer der besten Filme aller Zeiten. Eine adelige Gesellschaft macht eine Landpartie, in dessen Verlauf ein Unbeteiligter getötet wird, der Vorfall wird vertuscht und das Vertuschen gerechtfertigt.
 
Goupis-mains rouges / Eine fatale Familie
Jahr:  1943   Regie:   Jacques Becker  
Geschichte eines Bauernclans im Zentralmasivs und seinen kriminellen Machenschaften.
 
Le corbeau / Der Rabe
Jahr:  1943   Regie:   Henri Clouzot  
Ein frühes Meisterwerk von Clouzot, der Jahre später mit "Lohn der Angst" international bekannt wurde. Die Geschichte einer Verleumdung durch anonyme Briefe auf dem Land: Clouzot bezahlte diesen Film mit jahrelangem Arbeitsverbot nach 1945, da die Nazis den Film in Deutschland sehr erfolgreich zeigten, mit dem Hinweis auf die "Verderbtheit" der Franzosen
 
 
 1947 - 1969
Die bis 1970 entstandenen Filme des Nachkriegskinos durchlaufen noch stärker als das Vorkriegskino Epochen, die mehr von Schauspielern als von filmhistorisch relevanten Strömungen geprägt wurden. War in den frühen 50er Jahren das Kino nochmals von Jean Gabin geprägt, waren die 60er Jahre die Zeit des Lino Ventura, die späten 60er Jahre und Teile der 70er wurden stark von Alain Delon geprägt.
Viele Filme sind als zeitgeschichtliche Dokumente noch heute von großem Interesse, zeigen sie doch die Verwandlung der Metropole Paris von den Nachkriegsverwüstungen bis zu den kalten Neonbars von Melvilles "Der eiskalte Engel" im Jahr 1967. Der 1953 entstandene "Wenn es Nacht wird in Paris" von Jacques Becker kann dabei gar nicht wichtig genug genommen werden, ist er doch einer der ersten Gangsterfilme überhaupt - und bis heute beeindruckend vor allem hinsichtlich Beckers ruhigem Regiestil.
 
1947 - 1950
 
Quai des Orfevres / Unter falschem Verdacht
Jahr:  1947   Regie:   Henri Clouzot
Es dürfte eine Genugtuung für Clouzot gewesen sein, daß dieser Film der erste wichtige Kriminalfilm nach 1945 vor Beckers "Wenn es Nacht wird in Paris" wurde. Bedeutsam vor allem deshalb, weil er die Stimmung seiner Zeit drastisch und ungeschminkt wiedergibt: jeder gegen jeden, nacktes Überleben im Schauspielermilieu des Nachkriegs-Paris, dem Mikrokosmos der kleinen und großen Lichter der Music Halls. Somit ist "Quai des Orfevres" (der Originaltitel ist die offizielle Adresse der Pariser Kripo im früheren Stadtschloss auf der Ile de-la-cité) auch nur beiläufig ein Kriminalfilm, in erster Linie ist dieser Film ein zeitgeschichtliches Dokument.
 
Dedée d'anvers / Schenke zum Vollmond
Jahr:  1948   Regie:   Yves Allegret
Die Prostituierte Dedee (Simone Signoret) will mit dem Schiffskapitän Francesco ein neues Leben beginnen, aber das Milieu, allen voran ihr Zuhälter Marco versuchen es zu verhindern. Düsterer im Hafenmilieu von Antwerpen spielender Klassiker von Yves Allegret, dem späteren ersten Ehemann der Signoret und Vater von Catherine Allegret.
Zusammen mit Beckers "Goldhelm" einer der Filme, welche die Signoret unsterblich machen sollte.
 
1950 - 1959
 
Casque d' Or/ Goldhelm
Jahr: 1951    Regie:   Jacques Becker
Paris, gegen Ende des 19. Jahrhunderts. An einem Herbsttag amüsieren sich die Mitglieder der Leca-Bande mit ihren Mädchen. Marie (Simone Signoret) ist die schönste der jungen Frauen. Wegen ihres blonden Haares, das sie sich hochsteckt, nennt man sie "Goldhelm". Sie ist zwar mit dem eitlen Ganoven Roland liiert, lernt aber den jungen Tischler Manda (Serge Reggiani) kennen. Bald entsteht eine verhängnisvolle Liebe, denn nach wenigen Stunden ungetrübten Glücks folgen Rivalenkämpfe, Tod und Verrat...

Die Geschichte basiert auf wirklichen Begebenheiten im Paris der Belle Epoque. Der große französische Regisseur Jacques Becker (1906-1960) ließ sich davon zu einer brillant inszenierten Liebestragödie im zwielichtigen Unterweltmilieu inspirieren.
 
Touchez pas au grisbi / Wenn es Nacht wird in Paris
Jahr:  1953   Regie:   Jacques Becker
Wenn Goldhelm mit seinen impressionisten Bilder der schönste Film von Jacques Becker ist, so ist sicherlich wie Le jour se leve vor 1945 sein Film Touchez pas au grisbi das erste große Meisterwerk des Kriminalfilms nach 1945. Sicher nicht zuletzt, weil der Meisterregisseur Becker in diesem Film den Altmeister Jean Gabin gegen den jungen Lino Ventura antreten lässt. Beide sind rivalisierende Gangsterbosse in Paris und so wird der symbolische Generationswechsel, den dieser Film repräsentiert auch im Inhalt abgebildet.
Was Beckers Filme bis heute faszinierend macht, ist seine ruhige Art eine Geschichte zu erzählen. Für heutige Zuschauer mit den Medienrezeptionsgewohnheiten des Jahres 2004 ist das schon beeindruckend. Jean Gabin hatte mit der Rolle des Max den Beginn eines Comebacks, denn nach den Jahren im amerikanischen Exil fand er nicht mehr so recht Tritt in der Filmindustrie des Nachkriegsfrankreichs. Und für Lino Ventura schließlich, dessen erster Film es war, begann eine lange Karriere und eine lebenslange Freundschaft mit Gabin.
 
Razzia sur le chnouf / Razzia in Paris
Jahr:  1955   Regie:   Henri Decoin
Harter für den Zeitkontext sogar streckenweise brutaler Gangsterfilm, der den gnadenloser Kampf von Gangs im Rauschgiftgeschäft des Paris der 50er Jahre zeigt. In den Hauptrollen Jean Gabin als 'Henri le Nantais' und Lino Ventura als dessen Mann fürs Grobe 'Marcel Catalan'.
Nantais ist aus Amerika nach Frankreich zurückgekehrt, um das Handelsnetz einer Gang neu zu organisieren. Doch in Wirklichkeit ist er ein verdeckter Ermittler, der am Schluß den gesamten Händlerring auffliegen lässt.
Im fast schon dokumentarischen Gestus des Films liegt auch seine Besonderheit und dies beeindruckt bis heute. Stellenweise muss man allerdings schmunzeln über eine gewisse unfreiwillige Komik des Films, wie beim Besuch von Nantais und einer seiner Dealerinnen in einem geheimen Marihuanaladen hinterm Montparnasse und der Darstellung eines Kifferdeliriums.
 
Du Rififi chez les hommes / Rififi
Jahr:  1955   Regie:   Jules Dassin
Der "sanfte Tony" (Jean Servais) kommt nach fünf Jahren krank und müde aus dem Knast. Eigentlich will er nur noch seine Ruhe, aber er braucht dringend Geld. Also schließt er sich dem Plan seiner alten Freunde Mario und Jo an, die einen Juwelier ausrauben wollen. Der minutiös geplante und aufwendige Raub gelingt, doch der angeheuerte italienische Safeknacker macht einen entscheidenen Fehler - und so kommt eine verfeindete Gangsterbande ins Spiel, die ihnen die Beute mit brutaler Erpressung abjagen will. Tony holt seine Waffen heraus und regelt das auf seine Weise ...

Einer der vier großen Klassiker (Wenn es Nacht wird in Paris, Razzia in Paris, Drei Uhr nachts) des französischen Gangsterfilm der 50er Jahre. Jean Servais, der französische Sterling Hayden beherrscht diesen Film auf unheimliche Art, es finden sich Unmengen an Szenen, bei denen man sich sofort an Hommagen in neueren Filmen erinnert. Die Story ist nach wie vor beeindruckend gut und wenige Filme der 50er Jahre kamen mit so wenig Kulisse und so viel historischen Paris Aufnahmen daher, wie Rififi - was übrigens 'ein Kampf bis aufs Messer' im Argot bedeutet - und nicht ein Synonym für einen groß angelegten Raub ist.
 
Voici le temps d' assasin / Der Engel, der ein Teufel war
Jahr:  1956   Regie:   Julien Duvivier
Der alte Regiefuchs Julien Duvivier, Meisterwerkschöpfer (Pepe-le-Moko), gefürchtet für Schrottschnulzen und allen bekannt als Don Camillo Regisseur, holte für diesen Film nochmal Gabin vor die Kamera, es wurde eine seine letzten großen Rollen in den 50er Jahren. Der Restaurantbesitzer André Chatelin (Jean Gabin) nimmt seine eines Tages vor der Tür stehende Tochter aus erster Ehe bei sich auf, nicht ahnend, daß er dabei das Opfer einer teuflischen Intrige wird. Beeindruckend spielt die damals recht berühmte Danielle Delorme Chatelins Tochter, zerrissen im Zwiespalt ihres Schicksals zwischen ihrer berechnenden hasserfüllten Mutter und ihrem gutgläubigen und leicht naiven Vater.
Der Film ist heute u.a. auch deshalb noch sehr sehenswert, weil Duvivier in den alten Pariser Markthallen drehte, die in den 60er Jahren in der Bauwut der Ära Pompidou dem monströsen Einkaufszentrum Châtelet / Les Halles weichen mußte.
 
Bob le Flambeur/ Drei Uhr nachts
Jahr:  1959   Regie:   Jean-Pierre Melville
Bob, der Spieler, dargestellt von Roger Duchesne will mit Freunden einen großen Coup im Casino machen. Aber da wäre ja noch die letzte Partie, die gespielt werden muß - und das Drama nimmt seinen Lauf. Ein früher Film von Melville, der vor allem mit seinen Bildern des Montmartre der Fünfziger Jahre beeindruckt. Diese Bilder erinnern an die berühmten Fotographien von Eugene Atget des 18. Arrondissements aus der Zeit um die Jahrhundertwende.
Die Motivik dieser Tragikomödie tauchte übrigens immer wieder in der Filmgeschichte auf: am bekanntesten wurden der US-Klassiker Frankie und seine Spießgesellen (Oceans eleven) und die Krimiklamotte Lautlos wie die Nacht (Melodie en sous sol) mit Gabin und Delon, mit der wunderbaren Hammond-schweine-Orgel Filmmusik von Jazzlegende Jimmy Smith.
 
Classe tous risques/ Der Panther wird gehetzt
Jahr:  1959   Regie:   Claude Sautet
Abel Davos, gespielt von Lino Ventura ist ein alternder Gangster und Familienvater, der eigentlich nur noch beschaulich und nicht-kriminell seinen Lebensabend verbringen will. Aber da verunglückt seine Frau tödlich, als er mit seiner Familie versucht, die Grenze zwischen Italien und Frankreich zu überqueren. Gebrochen kommt er in Paris an und weiss genau, daß er sich auf seine alten Kumpels nicht verlassen kann.
Einer der wenigen Gangsterfilme des großen Claude Sautet, der uns vor allem seit den 70er Jahren mit seinen grandiosen Gesellschaftsfilmen wie "Cesar und Rosalie" oder "Die Dinge des Lebens" bekannt ist, ungewöhnlich in diesem Film: ein Gangster als liebevoller Familienvater.
 
1960 - 1969
 
Le trou / Das Loch
Jahr:  1960   Regie:   Jacques Becker
Das meisterhafte Spätwerk Beckers ist einer der wenigen Gefängnisfilme des Nachkriegskinos im Hektagon. Becker drehte vor allem mit unbekannten Nachwuchsschauspielern, von denen einige wie Michel Constantin und Philippe Leroy später erfolgreiche Schauspieler wurden. Vier schwere Jungs wollen mittels eines selbst gegrabenen Tunnels aus dem Knast ausbrechen. Eines Tages bekommen sie einen Neuen in ihre Zelle, den sie wohl oder übel in ihre Pläne einweihen müssen. Aber das ist ein gefährliches Risiko ... Ebenfalls durch die Aufnahmen aus der Santé, dem berüchtigten Pariser Zentralgefängnis ein historisch wertvolles Zeitdokument.
 
Le Doulos / Der Teufel mit der weißen Weste
Jahr:  1962   Regie:   Jean-Pierre Melville
Silien (Jean-Paul Belmondo), ist ein Doppelspitzel, der sowohl für die Polizei als auch für die Unterwelt arbeitet. Aber am Schluß hat er sein Spiel zu weit getrieben und alle Akteure bringen sich im Kugelhagel gegenseitig um.
Der erste der sechs legendären Gangsterfilme des Jean-Pierre Melville, dessen Thema um Mord, Verrat, Lüge und Täuschung kreist wurde auch eine Studie über das Milieu und zeigt uns brilliant spielende Kinolegenden wie die Serge Reggiani und 'Bebel' Belmondo. "Le doulos" war der amerikanischste Film von Melville, die gesamte Atmosphäre erinnert an einen in Paris spielenden Klassiker des 'film noir'. Berühmt wurde die Plansequenz 9'13, in welcher ein Verhör von Silien durch Kommissar Clain ohne Schnitt gedreht wurde.
 
Le deuxieme souffle / Der zweite Atem
Jahr:  1966   Regie:   Jean-Pierre Melville
Gustave Minda, genannt "Gu" ist ein alternder Gangster, der mit seinem "zweiten Atem" es noch einmal wissen will: nach seinem Ausbruch aus dem Knast, überfällt er mit Komplizen einen Platintransport in den Bergen der Provence. Aber dann wird er vom ermittelnden Kommissar in eine Falle gelockt und verrät ohne Absicht einen Freund. Von nun an kennt er nur noch ein Ziel: seine Ehre wieder herstellen - und sollte er dabei draufgehen.
"Le deuxieme souffle" ist eine Studie das Altern und - wenn man so will auch - über den Körper von Lino Ventura, "Gu" weiss, dass seine Zeit abläuft und er bäumt sich noch einmal auf - ein Gangsterfilm, der Jean-Pierre Melville unsterblich machen sollte.
 
Les Biches / Zwei Freundinnen
Jahr:  1967   Regie:   Claude Chabrol
Die mondäne und reiche Pariserin Helene (Stephane Audran) spricht die Pflastermalerin Why (Jacqueline Sassard) auf der Pont des Arts an und lädt sie zu sich ein. Sie beginnen ein Verhältnis, gezeichnet in einer unheimlichen Mischung aus homosexueller Zuneigung, ebenso emotionaler wie monetärer Abhängigkeit und verschwörerischem Seufzertum in der unverstandenen Welt. Helene nimmt Why mit nach Südfrankreich in ihr Haus an der Cote d'Azur. Als Why sich in den Architekten Paul (Jean-Louis Trintigant) verliebt, kommt es zur Katastrophe - denn Helene versucht nun ihrerseits erfolgreich Paul zu erobern. Why zieht sich zurück, verzichtet und begnügt sich mit ihrer Rolle zwischen Pauls und Helenes Zuneigung und einer Behandlung als Hauslakaie durch Helene. Als Helene versucht Why entgültig zu verstossen und wie ein lästig gewordenes Spielzeug zu entsorgen, schafft diese auf grausame Art und Weise Fakten im emotionalen Chaos.
Chabrols Klassiker zählt zu seinen besten Filmen, alle Schauspielerinnen und Schauspieler überzeugen, insbesondere Stephane Audran und Jacqueline Sassard. Chabrol gelang mit diesem Film eine auch heute noch beeindruckende Studie über menschliche Beziehungen, Abhängigkeiten und die grausamen Abgründe der Liebe. Der Titel, Les Biches ist doppeldeutig: zum Einen ist es der umgangssprachliche Ausdruck im Französischen für zwei gute Freundinnen, zum Anderen heißt biche auch Hirschkuh - das einzige Motiv der Malerin Why.
 
Le Samourai / Der eiskalte Engel
Jahr:  1967   Regie:   Jean-Pierre Melville
Wahrscheinlich der berühmteste französische Gangsterfilm des gesamten 20. Jahrhunderts. Der Killer Jeff Costello (Alain Delon) gerät nach Ausführung eines Auftrags ins Visier der Polizei. Trotz doppeltem Alibi, ist er für den Kommissar der Hauptverdächtige , es gelingt ihm nicht mehr, aus diesem Todesnetz auszubrechen. Am Ende begeht er, wie ein Samourai Harakiri, und läßt sich von der Polizei erschießen. An diesem Film stimmt einfach alles: die Story, die Charaktere, die Schauspieler, die Drehorte, die Musik - ein perfekter Film - obgleich nicht der beste Film von Melville.
 
Le Boucher / Der Schlachter
Jahr:  1969   Regie:   Claude Chabrol
Der Dorfschlachter Popaul (Yann Yanne) in einem kleinen Dorf im Perigord nähert sich der Lehrerin (Stephane Audran) an. Eine rätselhafte Mordeserie erschüttert unterdessen das Dorf, die Lehrerin ahnt, das der Mörder Popaul sein könnte. Definitiv einer der besten, wenn nicht der beste Film von Claude Chabrol und für die beiden Hauptdarsteller einzigartige Rollen.
 
 
 1970 - 2000
Die siebziger Jahre brachten eine besondere nur in Frankreich vorkommende Spielart des Thrillers: das Paranoia-Kino. Insbesondere nach den Indochinakriegen und dem Algerienkrieg hatten staatsfeindliche dem Militär nahe stehende kriminelle Organisationen, wie die OAS, eine zunehmend wichtigere Rolle in Frankreich. Es entstand das Gefühl eines Staats im Staat, besonders eindrucksvolle Filme hierzu sind Enricos "Le secret" und Boissets "Le juge fayard".
In den achtziger Jahren hielten, wie in anderen Filmindustrien die Zeichen der Zeit mit Punks, Neon und Plastiktrash Einzug in die Zelluloidproduktionen. Paris wurde abseits des Moulin-Rouge Touristenmülls zur leblosen Vorhölle, die es schon seit Jahrhunderten für einige auch jenseits der filmischen Fiktion war und ist.
 
1970 - 1979
 
Un conde / Ein Bulle sieht rot
Jahr:  1970   Regie:   Yves Boisset
Michel Bouquet in einer typischen Bouquetrolle als Inspektor Favenin, ein Psychopath als Edelmann, der seine Verdächtigen foltert und auch schon mal den Schalldämpfer auf die Pistole schraubt und abdrückt .. bis ihn eines Tages selbst seine Vorgesetzten nicht mehr decken können.
Früher Höhepunkt des Paranoia-Kinos, Michel Bouquet in einem eindrucksvollen Psychogramm, das sowohl in Frankreich wie auch in Deutschland lange verboten war.
 
Comptes a rebours / Der Boss
Jahr:  1970   Regie:   Roger Pigaut
Nein, das ist nicht diese dämliche Krimiklamotte mit dem späten irgendwann nur noch peinlichen Belmondo, sondern ein Gangsterfilm der Extraklasse. In der Hauptrolle 'L'italien' Serge Reggiani als Gangsterboss, der nach Jahren aus dem Knast kommt und abrechnen will - allerdings weiss er bis jetzt nicht genau, wer ihn damals verraten hat.. Stimmiges Gangstermelodram mit unglaublicher Besetzung (Simone Signoret, Charles Vanel, Michel Bouquet, Jeanne Moreau, Jean Desailly u.a.)
 
Le cercle rouge / Vier im roten Kreis
Jahr:  1970   Regie:   Jean-Pierre Melville
Die Gangster Corey (Alain Delon) und Vogel (Gian-Maria Volonte) wollen zusammen mit dem Ex-Bullen Jansen (Yves Montand) nochmal ein Ding drehen. Aber der katzenliebende Kommissar Mattheï (Bourvil) stellt ihnen eine Falle, in der sie alle umkommen.
Zusammen mit "Le deuxieme souffle" nach meiner Meinung der beste und vor allem der schönste Film von Melville - wie alle Melvilles finster, pessimistisch und voller Symbolik und Ambiguität: Polizei und Gangster stehen sich in miesen Tricks und Machenschaften absolut nichts nach. Aber "Vier im roten Kreis" ist ein gutes Beispiel für Melvilles Kino: trotz der Düsternis des Films, gibt es viele menschlich sehr berührende Szenen, denn Melvilles Filme sind cool aber niemals kalt.
 
Que la bete meure / Das Biest muß sterben
Jahr:  1971   Regie:   Claude Chabrol
Der Sohn eines Kinderbuchautors, der zurückgezogen in der Bretagne lebt, wird totgefahren und der Täter begeht Fahrerflucht. Sein Vater macht sich auf die Suche nach seinem Mörder und dringt in das Umfeld seiner Familie ein. Wie in einer antiken Tragödie tötet schließlich der Sohn des "Biest" seinen Vater. Szenisch dichter und sehr guter Film von Claude Chabrol.
 
Un flic / Der Chef
Jahr:  1972   Regie:   Jean-Pierre Melville
Der letzte Film des Jean-Pierre Melville: in einem Badeort an der Atlantikküste überfällt eine Gruppe Gangster eine Bank. Dabei wird einer der Täter angeschossen. Sie fliehen nach Paris und verstecken unterwegs die Beute. Der Pariser Kommissar Edouard Coleman (Alain Delon) verdächtigt seinen Freund, den Nachtklubbesitzer Simon (Richard Crenna), mit dessen Frau (Catherine Deneuve) er ein Verhältnis hat.
Düster, kalt und tief menschlich: Ein würdiger Abschluß im Werk des bedeutendsten und einflussreichsten Regisseurs des französischen Kriminalfilms.
 
Il n'y a pas de fume sans feu / Kein Rauch ohne Feuer
Jahr:  1973   Regie:   Andre Cayatte
Ebenfalls lückenhaft ist eine film policier Chronologie, ohne einen Film von Andre Cayatte zu erwähnen. Der Jurist und Filmemacher Cayatte war in Frankreich stets ein enfant terrible, der seinen Landsleuten 'genehm unbequem' war. Und das bereits zu Zeiten, in denen Nonkonformismus alles andere als erwünscht war. Schon kurz nach dem Krieg rechnete er mit seinen Landsleuten ab, die in der Hatz auf vermeintliche Kollaborateure mit den Deutschen ihre persönlichen Rechnungen durch Denunziation beglichen.
Berühmt auch sein 1970 gedrehter Film "Sterben vor Liebe" mit Annie Girardot, der einen Provinzskandal aufarbeitete, in welchem eine Lehrerin aufgrund ihrer Liebe zu einem Schüler, gesellschaftlich isoliert, geächtet und am Ende in den Tod getrieben wird.
Mit "Kein Rauch ohne Feuer", einer deutsch-französischen Coproduktion, griff er Aspekte des Markovic Skandals auf und inszenierte eine brutale politische Denuziationskampagne gegen einen Politiker. Der Markovic Skandal betraf vor allem Alain Delon und seine damalige Frau Natalie, und den nie ganz aufgeklärten Tod von Delons Leibwächter Stefan Markovic. Beeindruckend auch Mathieu Carriére, in der Rolle des Fotofälschers.
 
L'horloger de Saint-Paul / Der Uhrmacher von Saint Paul
Jahr:  1974   Regie:   Bertrand Tavernier
Lyon in den 70er Jahren: der verwitwete Uhrmacher Michel hat schwieriges Verhältnis zu seinem Sohn Bernard, der inzwischen am Technikum studiert. Völlig überrascht ist er aber, als eines morgens die Polizei bei ihm auftaucht, und ihm mitteilt, dass sein Sohn einen Werkspolizisten ermordet hat und auf der Flucht ist. Zusammen mit dem ermittelnden Kommissar (Jean Rochefort), macht sich Michel auf die Suche nach seinem Sohn und als sie ihn schließlich gefunden haben, schlägt für die beiden Männer die Stunde der Wahrheit..
Tavernier ist kein klassischer Regisseur des 'film policier', aber er ist sicher einer der besten Regisseure Europas. Und wenn er ein solches Thema in Angriff nimmt (übrigens eine Vorlage von Simenon), darf man sich das Ergebnis immer anschauen. In den Neunziger Jahren drehte er mit 'L.627 / Auf offener Straße' noch einen beeindruckenden policier mit Didier Bezace über den hoffnungslosen Kampf einer Antidrogeneinheit der Pariser Polizei.
 
Le Secret / Das Netz der tausend Augen
Jahr:  1974   Regie:   Robert Enrico
Als David (Jean-Louis Trintignant) die Flucht aus einer Gefängnis Psychiatrie gelingt, findet er Unterschlupf bei einem jungen Künstler-Pärchen, das abgeschieden in den französischen Cevennen lebt. Zunächst über die Abwechslung erfreut, wird David Thomas (Philippe Noiret) und und vor allem Julie (Marlene Jobert) langsam auch unheimlich. Er gibt vor, absichtlich in die gefangen worden zu sein, damit er ein ihm bekanntes Staatsgeheimnis nicht preisgibt. Als die Armee plötzlich neben ihrem Gehöft ein Manöver abhält, entschließen sie sich, David nach Spanien über die Grenze zu bringen. Auf der Flucht geraten sie in Straßensperren, weil die Polizei einen entlaufenen Psychopathen sucht ... vielleicht David ?
Das wenig bekannte Meisterwerk Enricos ist ein brillanter Thriller mit flirrend wehmütiger Musik von Ennio Morricone. Das Trio Trintignant, Jobert und Noiret ist absolut unschlagbar, die Inszenierung schwankt irgendwo zwischen Psychodrama und Actionthriller und ist an Spannung kaum mehr zu überbieten - und zeigt zudem noch die atemberaubende Schönheit von Frankreichs Südwesten zwischen Cevennen und Aquitanien.
 
Adieu Poulet / Adieu Bulle
Jahr:  1975   Regie:   Pierre Granier-Deferre
Paraderolle für Lino Ventura : Im Wahlkampf in der französischen Provinz wird ein Polizist bei einer nächtlichen Auseinandersetzung zwischen Plakatklebern erschossen. Der zwielichte Lokalfürst Lardatte gerät ins Visier von Ventura und seinem Kollegen (Patrick Dewaere). Doch damit begeben sie sich in die Sümpfe der Korruption.
Der 'Paranoiafilm' der siebziger Jahre schuf ein ganz besonderes Klima von Politthrillern, mit welchen die französischen Thriller dieser Jahre wegweisend wurden für den gesamten Ansatz gesellschaftskritischer Filme zunächst in den USA, später dann auch im restlichen Europa - Granier-Deferres "Adieu Bulle" ist definitiv einer dieser Filme.
 
Barocco / Barocco - Mord um Macht
Jahr:  1975   Regie:   Andre Techiné
Mit diesem Film gelang dem Regisseur Andre Techiné ein kleines Meisterwerk und der Durchbruch als einer der innovativsten Filmemacher Europas. Gerard Depardieu spielt einen Boxer, der in die schmierigen Verwicklungen des Amsterdamer Wahlkampfs gerät, seine Geliebte (Isabelle Adjani) träumt von einem neuen Leben mit ihm in einem anderen Land.

Techinés Kinos bewegt sich in einem filmischen Terrain vague zwischen existenzialistischem Theater und post-poetischem Realismus. Was Techiné vor allem aber mit diesem Film gelang, war, daß er die Licht und Schattenspiele des klassischen Noir und des Poetischen Realismus mit den technischen Mitteln seiner Zeit vermählte - und ihm damit der Aufbruch in den Neonfilm der Achtziger gelang - somit scheint 'Barocco' jünger zu sein, als er tatsächlich ist...
 
Le corps de mon ennemie / Der Körper meines Feindes
Jahr:  1976   Regie:   Henri Verneuil
Die Filme mit Jean-Paul Belmondo in den 70er und 80er Jahren wären ein Kapitel für sich. Die meisten sind jedoch reichlich uninteressant, seine besten Filme drehte er neben Labros "Der Greifer" mit Henri Verneuil: insbesondere das furiose "Angst über der Stadt" und "Der Körper meines Feindes" sind die sehenswertesten Filme. In diesem Film kommt er als Ex-Zuchthäusler in eine kleine Textilstadt im Norden zurück - und längst nicht alle haben gute Erinnerungen an ihn. Sehr sehenswert ist auch die zauberhafte Marie-France Pisier in einer der weiblichen Hauptrollen.
 
Police Python 357 / Police Python 357
Jahr:  1976   Regie:   Alain Corneau
Einer der großen Kriminalfilme von Regisseur Alain Corneau (Wahl der Waffen, Serie Noire): Yves Montand als Kommissar Ferrot in Orleans gerät unter Mordverdacht und kämpft um den Beweis seiner Unschuld - Minute für Minute beklemmender. Neben Montand, der bei Corneau einige seiner besten Filme drehte, sind neben dem jungen Mathieu Carriere als Ferrots Assistent vor allem Simone Signoret und Francois Perrier als Vertreter der feinen katholischen Bürgerschicht der alten Königsstadt, beeindruckend. Signoret als Madame Ganay ist an den Rollstuhl gefesselt, sie weiss um die Geliebte ihres Mannes und richtet sich selbst, als sie keinen Ausweg mehr sieht. Die wunderbaren Bilder der Region und der Loireschlösser rund um Orlèans kontrastieren mit der klaustrophoben Hatz auf Ferrot , untermalt von der minimalistischen schaurigen Musik von Georges Delerue.
 
Garde a vue / Das Verhör
Jahr:  1977   Regie:   Claude Miller
Ein Krimi quasi als Theaterstück: und eine ausgesprochene Gala-Vorstellung von Michel Serrault als Maitre Martignon und Lino Ventura als Kommissar. Eigentlich sollte der Notar Martinaud lediglich eine Zeugenaussage zu einer Reihe von Kindermorden geben. Aber während des Verhörs verstrickt er sich in immer mehr Widersprüche. Als der Kommissar schließlich die Ehefrau von Martinaud (Romy Schneider) befragt, scheint die Beweislast erdrückend.
Zweiter Film von Claude Miller, der wenige Jahre später mit "Mortelle randonne" eines der filmischen Meisterwerke der Achtziger Jahre in Frankreich drehte.
 
Le judge Fayard / Der Richter, den sie Sheriff nannten
Jahr:  1977   Regie:   Yves Boisset
Ein junger Untersuchungsrichter will statt kleiner Krimineller Drahtzieher und Hintermänner des organisierten Verbrechens zur Strecke bringen. Unbeirrt aller Kritik seiner Vorgesetzten und Drohungen aus der Unterwelt deckt er nach einem spektakulären Bankraub die Verbindungen zwischen Gangstern, Großunternehmern und Politikern auf.
Der spannende und hervorragend inszenierte Polit-Thriller des französischen Regisseurs Yves Boisset ist eine filmische Auseinandersetzung mit der französischen Justiz, die sich seit den 60er Jahren wiederholt den Vorwurf gefallen lassen mußte, Kontakte zwischen Unterwelt, Wirtschaft und Politik nicht hartnäckig genug zu verfolgen.
Boissets Film basiert auf einem Mordfall, der Mitte der 70er Jahre in ganz Frankreich für Aufsehen sorgte. Seinerzeit wurde der Ermittlungsrichter Renaud, der auch "der Sheriff" genannt wurde, von Gangstern in Lyon umgebracht. Weil Boisset und seinem Team in Lyon unverhohlen gedroht wurde, mußte er in der nahe gelegenen Industriestadt Saint-Etienne drehen. In der Rolle des Untersuchungsrichters überzeugt Frankreichs James Dean Patrick Dewaere.
 
1980 - 1989
 
Une robe noire pour un tueur / Verdammt zum Schafott
Jahr:  1980   Regie:   José Giovanni
Definitiv: ein Film von Jose Giovanni muss dabei sein in einer Chronologie des film policier. Da ich den zuvor entstandenen hochgelobten "Endstation Schafott" weniger gut finde, beschränke ich mich auf diesen Film - der nebenbei bemerkt zuerst im Kino unter dem wörtlich übersetzten und daher weniger verwechselbaren Titel "Eine schwarze Robe für den Mörder" lief. Claude Brasseur als Polizistenmörder soll hingerichtet werden. Kurz vor der Exekution, gelingt es ihm jedoch zu fliehen, mit Hilfe seiner Anwältin (Annie Girardot) kann er auf einem Bauernhof Unterschlupf finden, wo ein befreundeter Arzt (Bruno Cremer) mit Drogenabhängigen arbeitet. Mit Hilfe seiner Freunde gelingt es ihm, die wahren Schuldigen zu finden, doch das ändert am Ende nichts an seinem Schicksal.
Im Grunde thematisch verwandt mit "Endstation Schafott" ist dieser Film wesentlich stimmiger, dichter und vor allem logischer als sein Vorgänger.
 
Choix des armes / Wahl der Waffen
Jahr:  1981   Regie:   Alain Corneau
Der Gangster Mickey (Gerard Depardieu) bricht aus dem Gefängnis aus und versteckt sich auf dem Landgut des ehemaligen Gangsters Noël (Yves Montand) und dessen Frau Nicole (Catherine Deneuve). Doch der zuständige Kommissar (Gerard Lanvin) ist ihm schon dicht auf den Fersen und versucht mit gnadenloser Brutalität, Mickey zu fassen zu bekommen. Als dabei Mickey und Nicole getötet werden, holt Noël noch einmal seine Waffen aus dem Schrank und regelt die Sache auf seine Art. Am Ende kümmert er sich um Mickeys verwaisten kleinen Sohn und verlässt mit ihm das Land.
Autos ramponierend und dabei lauthals "Rock around the clock" johlend beweist Depardieu in einer seiner wenigen Gangsterrollen beeindruckend seine Fähigkeiten auf diesem Gebiet - und es fragt sich, wann irgend jemand endlich die Dummheit wieder wettmacht, und Corneaus 'Serie Noire' mit Marie Trintignant und Patrick Dewaere in Deutschland veröffentlicht.
 
Mortelle randonne / Das Auge
Jahr:  1982   Regie:   Claude Miller
Eines der ganz großen Meisterwerke des französischen Films im 20.Jahrhundert: Der Privatdetektiv "Das Auge" (Michel Serrault) soll ein verschwundenes Industriellensöhnchen finden. Er findet ihn bei einer schönen femme fatale (Isabelle Adjani), die den Burschen auch prompt um die Ecke bringt. Was folgt ist ein Psychothriller der Extraklasse, das Auge, der auf sie seine Tochter projeziert, folgt der Killerin von Belgien, über Baden-Baden, Italien bis an die Atlantikküste, während die Blutspur der Birnen essenden Killerin immer länger wird. Schließlich endet die Reise in einem trostlosen Industrierevier im Norden Frankreichs in einem subtilen Showdown.
 
Peril en la demeure / Gefahr im Verzug
Jahr:  1984   Regie:  Michel Deville
Der junge, arme Musiklehrer David (Christophe Malavoy) nimmt einen Job bei der Industriellenfamilie Tombsthay an und wird in ein mysteriöses Intrigenspiel verwickelt: Er wird zum Geliebten der ebenso geheimnisvollen wie schönen Julia und dadurch auch zum Spielball ihres bourgeoisen Ehemannes Graham, einer seltsamen Detektivin und eines melancholischen Killers... Regisseur Michel Deville inszenierte 1984 diesen ausgezeichnet gespielten, erotischen Krimispaß. Deville nutzt die witzigen Dialoge und die faszinierenden Szenenwechsel für ein brillantes Vexierspiel mit Klischees des erotischen Psycho-Thrillers, in den Hauptrollen Nicole Garcia, Michel Piccoli, Anemone und Richard Bohringer
 
Backfire / Backfire
Jahr:  1985   Regie:  Alain Bonnot
Natalie und zwei ihrer Teenager-Freunde lassen sich zu einem Banküberfall anheuern und tappen dabei in eine üble Falle. Denn ihren Anstiftern geht es nur darum, im entstehenden Verkehrschaos einen Geldtransporter brutal auszurauben. Natalie und ihre Freunde nehmen eine Geisel und entkommen mit einem Fluchtauto. Als sie auf eigene Faust versuchen, mit den Gangstern abzurechnen, gibt es mehrere Tote. Natalie kann schwer verletzt mit David fliehen, dieser bringt die Sterbende zu ihrer Mutter (Annie Girardot), die dann, gedeckt durch den ermittelnden Kommissar Kalinsky, gnadenlos mit den Killern abrechnet.
Zugegeben: am Tenor dieser Apologie der Selbstjustiz mag man Zweifel haben, aber wer Annie Girardot mag - und wer mag sie nicht !?!? - und Paul Crauchet, der wird mit einem spannenden und dicht inszenierten Polar belohnt.
 
Tchao Pantin / Am Rande der Nacht
Jahr:  1985   Regie:   Claude Berri
Es war eines der letzten Werke mit Michel Colucchi, genannt "Coluche", einer französischen Legende, die weit über die Kriterien von Schauspieler oder Komiker hinausging. Berühmt geworden als Komiker in Music Halls, war Coluche vor allem wegen seines derben und hochprovokantem Humor berühmt und gefürchtet, zum endgültigen Schrecken avancierte er, nachdem er neben Mitterand und Giscard zur Präsidentschaftswahl antreten wollte. Coluche engagierte sich auch sozial und starb 1986 bei einem Motorradunfall.
In diesem im Pariser Stadtteil Belleville spielenden Kriminalfilm, der fast nur nachts spielt, mimt Coluche einen Tankwart und Ex-Bullen, der dem Alkohol verfallen in seiner Tankstelle vor sich hin vegetiert. Er freundet sich mit einem jungen Araber an (Richard Anconina), der mit kleinen Diebstählen über die Runden kommt. Eines Nachts wird dieser vor dessen Augen auf dem Tankstellengelände ermordet, der Baba-au-rhum macht sich auf, um ihn zu rächen, wissend, daß ihn das das Leben kosten wird.
Ein einfühlender Film, über die dunklen Seiten Bellevilles der sich behutsam den Themen Migration und gesellschaftliche Außenseiter nähert.
 
Poussiere d' Ange / Engel aus Staub
Jahr:  1987   Regie:   Edouard Niermans
Der Kriminalbeamte Simon (Bernard Giraudeau) ist mit seinen Nerven am Ende: Seine Frau hat ihn und die gemeinsame kleine Tochter gerade wegen eines anderen Mannes verlassen. Während er versucht, seinen Kummer in Alkohol zu ertränken, wird der Geliebte seiner Frau ermordet aufgefunden. Da dieser eindeutig aus der Zuhälterszene stammt, ist Simon wenig motiviert, den Fall aufzuklären. Die Lethargie hält an, bis er die junge Violetta kennen lernt, eine mysteriöse Diebin, die der Schlüssel zu sämtlichen Verwicklungen zu sein scheint. Ihre unschuldige Erscheinung entpuppt sich als Maskerade.
Typisches achtziger Jahre Drama, nach welchem man unbedingt wieder Opas Staubmantel vom Speicher rauskramen und auftragen muss. Niermans düstere Gangsterballade spielt in einem Niemandsland, montiert aus Drehs in Paris, Marseille und Lyon, die Protagonisten sind entsprechend trostlos unverortete Heldinnen und Helden der Achtziger.
 
Le favoris de la lune / Die Günstlinge des Mondes
Jahr:  1988   Regie:   Otar Iosseliani
Wertvolles Sèvres-Porzellan und ein Gemälde aus dem 19. Jahrhundert, einst liebevoll hergestellt, werden verkauft, zerstört, gestohlen und weiterverkauft. Durch gute und böse Taten gehen sie von Hand zu Hand, verbinden unterschiedlichste Personen eines Pariser Viertels miteinander: den Einbrecher, den Bombenspezialisten, die blasierte Sängerin und die flatterhafte Hundebesitzerin, die unschuldige Schönheitspflegerin und die unbeholfenen Anarchisten. Die edlen Gegenstände werden durch den Schmutz gezogen, ebenso wie die Gefühle ihrer Besitzer. Das kostbare Gemälde zum Beispiel, das eine schöne Frau in kompletter Gestalt darstellt, wird bei jedem Diebstahl mit der Rasierklinge aus dem Rahmen geschnitten und ist schließlich nur noch ein kleines Porträt. Während die einen von dem ganz normalen weltlichen Durcheinander profitieren, geraten andere dabei zu Recht oder Unrecht unter die Räder. Der Reigen menschlicher Schicksale, die sich in turbulenten Tänzen verschlingen, wird immer wieder angetrieben von Eitelkeiten und dem unstillbaren Verlangen nach Macht und Besitz.
Der 1934 in Georgien geborene und Anfang der 80er Jahre nach Frankreich emigrierte Regisseur Otar Iosseliani ("Und es ward Licht", "Briganten") zeichnet in seinem facettenreichen und komödiantischen Film einen Mikrokosmos menschlicher Schicksale. Voller Poesie und mit ironischem Augenzwinkern beschreibt er allzu menschliche Eigenarten und die widerstrebenden Kräfte, die auch in größerem Rahmen den Lauf der Welt bestimmen. Der Film wurde 1984 beim Filmfestival in Venedig mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet.
 
L'union sacree / Waffenbrüder
Jahr:  1988   Regie:   Alexandre Arcady
Der Pariser Drogenfahnder Simon Atlan (Patrick Bruel) hat ja auch sonst keine Probleme: nun setzt ihm sein Chef (Bruno Cremer) auch noch einen arabischen Kollegen an die Seite - ihm, dem jüdischen Cop Atlan ! Bald stellt sich heraus: Karim Hamida (Richard Berry) ist Agent des Geheimdiensts und ermittelt gegen den Kulturattache eines islamischen Landes, der mitten in Paris ein als Kulturzentrum getarntes Ausbildungszentrum für Extremisten betreibt. Simon und Karim heften sich an seine Fersen und in kürzester Zeit brennt die Pariser Unterwelt - und die Killer sind bereits unterwegs: bei einem Überfall auf das Restaurant von Simons Eltern stirbt Simons Ex-Frau Lisa.
Simon taucht daraufhin unter, um abzurechnen. Als der Attache des Landes verwiesen wird, scheinen die Beiden mit ihrer Jagd entgültig verloren zu haben. Aber nur scheinbar ..

Kein Zweifel, ein handwerklich gut gemachter Film in bester Tradition des französischen Thrillers, noch dazu mit aktuellem Bezug. Da sieht man gerne darüber hinweg, daß es einige Ungereimtheiten gibt, die das Drehbuch nicht kaschieren kann - und zwei nervigen Peinlichkeiten: daß Karim und Lisa sich nun noch unbedingt ineinander verlieben müssen (gähn) und am Schluß nach einem zugegebener Maßen gewalttätigen Ende, noch ein Rolltitel darauf hinweist, daß Gewalt ja keine Lösung sein kann - das gehört mit Verlaub schon zum Beklopptesten, was ich seit längerem gesehen habe.

 
1990 - 2000
 
Les voleurs / Diebe der Nacht   
Jahr:  1996   Regie:   Andre Techiné
Zwei ungleiche Brüder im Lyon der 90er Jahre, der eine, Alex ist Bulle (Daniel Auteuil), und Ivan ist Gangster (Didier Bezace). Als Ivan eines Nachts bei einem Raubzug erschossen wird, ermittelt Alex in Ivans Umfeld. Dabei lernt er Juliette kennen, die ihm helfen könnte, allerdings gar nicht daran denkt, mit ihm zusammen zu arbeiten.
Beeindruckender Film von Andre Techiné, der schon in den 70er Jahren mit "Barocco" ein filmisches Meisterwerk abgeliefert hatte. Besonders beeindruckend in diesem Film, ist Laurence Côte als Juliette, die für ihre Darstellung völlig zu Recht einen Cesar als beste Nachwuchsdarstellerin einheimste.
 
Les rivières pourpres / Die purpurnen Flüsse
Jahr:  2000   Regie:   Mathieu Kassovitz
Im Hochgebirge nahe des verschlafenen Alpenstädtchens Guernon wird die grausam zugerichtete Leiche eines Studenten der klosterartig abgeschirmten Universität der Stadt gefunden. Der legendäre Kommissar Niemans (Jean Reno) macht sich auf die Suche nach dem Mörder und taucht dabei nicht nur in den Sumpf der Provinz ein, sondern findet auch einige Sonderheiten über die Hochschule heraus und begegnet einer mysteriösen Gletscherforscherin.
Nachdem es inzwischen ja vollkommen normal ist, daß keine zweitklassige TV-Produktion ohne gefolterte und verstümmelte Leichen auskommt, mag man die mehr als deutlichen Hommagen an "Das Schweigen der Lämmer" abziehen, dann bleibt noch immer ein überdurchschnittlich guter Thriller übrig, mit einer großartigen Besetzung (u.a. Vater und Sohn Cassel) und der fabelhaften Neuentdeckung Nadia Farès - und einem leider ziemlich behämmerten Ende.
 
 
 Weitere Infos zum film polar
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