Walter Benjamin
 
 
Eine Recherche zu medienforschungsrelevanten Arbeiten im Internet zur Aktualität Walter Benjamins
 
Der Philosoph, Literatur- und Kulturkritiker Walter Benjamin gehört mit seinen Arbeiten über die Wirkung, Ästhetik und Effekte der neueren Medientechniken und -technologien zu den bedeutendsten deutschsprachigen Denkern in der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts. Als Beispiele seien nur genannt „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit”, Aufsätze wie „Kleine Geschichte der Photographie” oder „Zur Lage der russischen Filmkunst”.

Auch nutzte Benjamin neue Medien seiner Zeit, so z.B. die Arbeiten für den Rundfunk („Aufklärung für Kinder) und selbst in eher literarischen Arbeiten finden sich Auseinandersetzungen mit den Medien (z.B. der Text „Telefon” in der „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert”). Mit dieser Untersuchung im Internet möchte ich- zunächst in eher allgemein orientierten Suchmaschinen, aber auch in speziellen philosopisch orientierten Suchmaschinen- aufzeigen, wie, in welcher Form, mit welchen Ansätzen, in welcher Quantität und - so weit für mich verständlich - in welcher Qualität Benjamin heute rezipiert, genutzt und seine Ideen vielleicht weitergeführt werden.
Verwendete Suchmaschinen: AltaVista, Webcrawler, Lycos, Hotbot
Verwendete philosophische Suchmaschinen: Ariadne, Philosophy Online serial project, Analysis, The Electronic Journal of Analytic Philosophy, BAUDRILLARD, Sic et non: Online Journal for Culture and philosophy, Deutsche Zeitschrift für Philosophie, FOUCAULT
 
Walter Benjamin beschreibt z.B. in seinem Essay „Zur Lage der russischen Filmkunst”, daß die russischen Bauern keine zwei simultan ablaufenden Handlungsstränge verfolgen konnten. Auch gab es kaum ein Verständnis für zeitgenössische amerikanische Spielfilme mit groteskem Humor, Benjamin hatte dies wegen der fast vollständigen Technisierung und Industrialisierung des Alltags vermutet. Von der Seite der frühen russischen Filmindustrie in der Sowjetunion wurden folgerichtig weniger Schauspieler als vielmehr Laien eingesetzt wurden, sie konnten die zu vermittelnden Inhalte besser transportieren.

In „Kleine Geschichte der Photographie” verweist Benjamin auf frühe Erfahrungen mit der Photographie: die ersten Photographien betrachtenden Menschen konnten kaum die Augen auf den Bildern halten - so sehr waren sie von den Abbildungen irritiert. Die ersten Photographen kamen von der Portraitmalerei, diese löste sie bald ab und wäre ohne diese nicht denkbar gewesen.

Benjamin bezieht sich auf eine Äußerung Alfred Lichtwarks, der feststellte, daß mit der Photographie ein Wechsel von der Ästhetik zur sozialen Funktion des Bildes eintritt: Photos von Familie und Geliebten und der unvermeidlichen Frage: Ist Photographie Kunst ?

Vielleicht die falsche Fragestellung, war doch die Photographie eine Folge der industriellen Revolution, die kongruent mit den Bedürfnissen der Rezipienten ging (z.B. Postkarte).

Gisele Freund legte unter Bezug auf die Theorien Moholy-Nagys dar, wie Licht formbildend ist, die Photographie neue Perspektiven eröffnet (Teleobjektiv) oder auch die Betrachtung des Photos als Tatort.

Für Benjamin heißt Ästhetik zunächst vom Griechischen aisthesis abgeleitet Wahrnehmung. Die Schrift im Alltag verändert sich, sie verläßt das Buch (Reklame), die Photographie und den Film.

Filmisches Wahrnehmen bedeutet die von Benjamin so bezeichnete 'Routinisierung von Schocks' und die Unmöglichkeit der kritischen Rezeption, denn die Zuschauer sind in allen Sinnen sensibilisiert: sie sind nahe am Geschehen, taktil, wie Benjamin es nennt. Überlegungen Michael Travis DiNicolas: Reproduktion ist schon die Lektüre Benjamins, da Übersetzung aus dem Deutschen. Es gibt kein Original mehr oder wie Benjamin sagt, bei beliebig vielen Abzügen von der Photoplatte macht die Frage nach dem Originalabzug keinen Sinn mehr.

Dies gilt vor allem auch für PC-Kunst: Sie existiert nur als virtuelle Bytecodes, aber nicht wie die Mona Lisa an einem Ort. Jeder kann ein Bild kopieren, herunterladen, bearbeiten, laden und löschen.

Und wie die Frage: Ist Photographie Kunst ? die im 20.Jahrhundert durch die photorealistische Malerei ad absurdum geführt wurde - so ist die Frage der Computerkunst vielleicht bald: wann wird ein virtuelles „Original” mit Pinsel, Farbe und Leinwand nachgemalt ? Architektur: Online/Multimedia Zugänge zu virtuellen Gebäuden verknotet die Zweidimensionalität die Benjamin noch formulierte neu.

Benjamin sagte:” Bauten werden auf doppelte Art rezipiert: durch Gebrauch und durch dessen Wahrnehmung..(..)..taktil und optisch." Beim Zugang zum Andy Warhol Museum kann der Online-Besucher ein Gemälde im 3.Stock nur betrachten, wenn er sich durch den Fahrstuhl nach oben „klickt”.

So beschrieb Benjamin auch die Wandlung durch die Jahrhunderte zwischen Lesepublikum und Autoren: so wandelte sich das Publikum von Rezipienten hin zu partiellen und immer aktiveren Kommunikatoren - das Internet ist im Begriff bei Ihrer Komunikation die Raum/Zeit Dimension zu relativieren - und so wie die Wahrnehmung der Menschen sich veränderte - so daß sie am Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts fasziniert fotorealistische Gemälde betrachten - so bleibt die Spekulation und Vermutung wie wohl das multimediale Zeitalter die Menschen und Ihre Betrachtungsweise ändern wird.
 
Fazit: Insgesamt ist bei den verwerteten Dokumenten - welche fast sämtlich von der Suchmaschine HotBot gefunden wurden - viel spannendes Material dabei. Allerdings bleibt bei einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von „Treffern” bisweilen auch die Frage , ob dieses Dokument verwertbar ist und so neue und interessante Erkenntnisse birgt, daß es nun wirklich im Internet veröffentlicht werden müßte. Das vielzitierte Wort vom „Datenmüll im Internet” drängte sich mir da ein ums andere Mal auf: wenn sich bspw. eine Webseite darauf beschränkt, Benjamins „Kunstwerk”- Aufsatz auf eine halbe Seite „einzudampfen” (noch dazu mit fragwürdigen Schlußfolgerungen). Sehr interessant hingegen fand ich den Beitrag von M.TravisDiNicola: Zwar reichte die Zeit nicht mehr um herauszufinden, was das Palmer museum of Art Online ist - Aber anregend fand ich Fragestellungen wie: Inwieweit verändert sich unsere Wahrnehmung durch die Möglichkeit, weltweit Dokumente in Sekunden zu verschicken, zu kopieren oder zu bearbeiten ? Oder die Veränderung der von Benjamin erkannten veränderten Wahrnehmung (am Beispiel des Films) hin zur Taktilität und die Ebenen von „Gebrauch” und „Wahrnehmung” am Beispiel von Bauwerken (Onlinebesucher im Andy Warhol Museum müssen sich zur Betrachtung von Bildern im dritten Stockwerk erst per Fahrstuhl „nach oben klicken”)
 
Literatur:

Benjamin, Walter: „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert” (Fassung letzter Hand), Frankfurt am Main, 6.Auflage 1994
Benjamin, Walter: „Illuminationen”/”Angelus Novus”, Frankfurt am Main, (1.Auflage 1977 / 1.Auflage 1988)
Bolz, Norbert / Reijen, Willem van: „Walter Benjamin”, Reihe Campus Einführungen, Frank furt am Main/New York, 1991
Freund, Gisele:”Photographie und Gesellschaft”, Reinbek bei Hamburg, 1979
Fuld, Werner: „Walter Benjamin”, Reinbek bei Hamburg, 1990
Maczewski, Jan Mirko: „Studium digitale”, Hannover, 1996
Opitz, Martin/Wizisla, Erdmut (Hrsg.): „Aber ein Sturm weht vom Paradise her - Texte zu Walter Benjamin, Leipzig, 1992
Pivecka, Alexander: „Die künstliche Natur - Walter Benjamins Begriff der Technik”, ReiheEuropäische Hochschulschriften, Frankfurt am Main, 1993
Steinhaus, Ingo: „Online recherchieren”, Reinbek bei Hamburg, 1997
Wagner, Gerhard: „Walter Benjamin - die Medien der Moderne” in BFF (Beiträge zur Film- und Fernsehwissenschaft), Band 42, 33. Jahrgang, Berlin, 1992
Walter Benjamin und die Medienforschung
 
Übersicht über die benutzten allgemeinen Internetsuchmaschinen und ihre Adressen:

AltaVista: http://www.altavista.digital.com Webcrawler: http://webcrawler.de Lycos: http://www-german.lycos.com HotBot: http://www.hotbot.com Bei den allgemeinen Suchmaschinen fiel Altavista auf mit einer sehr benutzerfreundlichen Oberfläche und Ergebnispräsentation, mit Abstand am Besten und Ergiebigsten war aber die Suche in HotBot: durch eine äußerst umfangreiche Möglichkeit der Sucheinschränkung und - spezifizierung ergaben sich die „verwertbarsten Treffer” (gerade auch aus dem universitären Bereich). Weniger brauchbar waren die Ergebnisse bei Lycos und Webcrawler.
 
Übersicht über die benutzten philosophische Suchmaschinen und ihre Adressen :

Ariadne: http://www.arte-media.de/cgi-win/ariadne.exe Philosophy Online serial project: http://www.nlx.com/reference/journals.html Analysis: http://www.shef.ac.uk/uni/academic/N-Q/phil/analysis/homepage.html The Electronic Journal of Analytic Philosophy: http://www.phil.indiana.edu/ejap/ejap.html BAUDRILLARD: nicht erreicht Sic et non: Online Journal for Culture and philosophy: http://www.cogito.de/sicetnon Deutsche Zeitschrift für Philosophie: http://www.vchgroup.de/akademie-verlag/office/dzphil FOUCAULT: nicht erreicht

Leider war die Suche bei den speziellen Online-Anbietern im Bereich Philosophie nicht sehr erfolgreich. Allerdings sind dies auch zumeist eher kommerzielle Anbieter, Fachverlage, welche hier per Internet die Möglichkeit offerieren, in der aktuellen Ausgabe ihres/r Magazins/e zu recherchieren. Ariadne, auch bekannt unter Philnet war leider aufgrund der Installation eines neuen webservers nicht erreichbar. Die Deutsche Zeitschrift für Philosophie bietet unter Philosophische Ressourcen im Internet noch einige weitere Knotenpunkte mit Verknüpfungsmöglichkeit. Sehr interessant waren auch EJAP, das erste Internet- Philosophie Journal (seit 1993) und Analysis, dem Philosophie-Journal der University of Sheffield.

 
 

 


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